Der Sonntag, der heilige Tag des Abendlandes ist im Begriff endgültig in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Seit geraumer Zeit nagt die Wirtschaft und der Kommerz am Heiligtum. Alle wollen 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche konsumieren und Spass haben. Über Jahrhunderte hinweg zollte man dem heiligen Ruhetag Respekt, nun soll alles anders werden?
Als in den 90er die altehrwürdigen Hochheiligen durch die Lausebengel-Party-Generation zu Fall gebracht wurden, ahnte noch niemand mit dem Sakrileg, auch den Sonntag als Ruhetag abschaffen zu wollen. Aber genau dies wird gefordert: Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, rund um die Uhr, wann immer es der Konsument wünscht, denn dieser ist schliesslich König.
Dagegen sind vor allem die Gewerkschaften, aber auch die SP, die in der flexiblen Ladenöffnungszeiten eine Benachteiligung für das Verkaufspersonal sieht. Andere sehen hauptsächlich keinen Bedarf für eine Liberalisierung und begründen ihre Ablehnung damit, man könne ja seine Besorgungen auch unter der Woche tätigen, frei nach dem Credo: Wenn ich es so mache, dann sollen es die Anderen auch so handhaben. Die Kirchenverbände und einige Parteien sehen den “Familientag” und das “Christentum” in Gefahr und sind daher auch dagegen – Tradition verpflichtet eben.
Lasst uns zusammen ein Gedankenexperiment machen. Es findet an einem Sonntag statt, in einer Welt, wo der Sonntag noch Sonntag sein kann, heilig und unantastbar, arbeitsfrei für alle und jeden. Auch für unsere Protagonisten: Die Familie Meier aus Zürich.
Zugegeben das Gedankenexperiment ist ein wenig extrem, aber letztendlich nur Konsequent. Warum muss an einem Sonntag ein Museum, Kino, das Alpamare, ein Bergrestaurant oder die Schalterhalle der SBB geöffnet sein? Wer befördert die Menschenmassen von A nach B an diesem Tag? Warum ist es wichtig an einem Sonntag einen Ausflug in die Berge machen zu müssen? Man könnte dafür den Samstag nehmen – nach dem obligaten Einkaufen wäre dafür immer noch genug Zeit übrig. Warum sollte man an einem Sonntag ein Fussballspiel oder ein Konzert sehen müssen?
Ich möchte das Geschrei hören, wenn Dinge wie das Reisen mit dem Zug oder ein Glas Wein trinken im Restaurant nicht mehr möglich sind, nur weil der Wochentag ein Sonntag ist. Bevor uns jemand sagt wie der Einzelne sein Tagesablauf zu organisieren hat und welche Bedürfnisse “Sonntagskonform” sind, wäre eine Bestandsaufnahme im eigenen “Gärtli” angebracht. In der heutigen säkularen Gesellschaft ist ein verordneter Ruhetag mit Einschränkungen aus religiösen und traditionellen Motiven nicht mehr vertretbar. Wer am Sonntag in die Kirche gehen will, mit der Familie etwas unternehmen möchte, oder den Wocheneinkauf im Coop besorgt, sollte dies tun können – wie an einem anderen Tag auch.
Da es genug Menschen gibt die am Sonntag arbeiten wollen, gibt es hier nicht mehr Probleme als wenn man an einem Donnerstag arbeiten müsste. Der Anreiz mag die bessere Bezahlung sein – die übrigens beibehalten werden muss – aber auch die Flexibilität auf Teilzeitangestellte ausweichen zu können, die ihrerseits gerne am Wochenende oder zu Randstunden arbeiten wollen.
BTW: Der Abstimmungssonntag wird übrigens ab sofort auf den Samstag verlegt. Ihr wisst schon: Familien und so…